Die Anfänge: Ein Wunsch wird Realität
Nach dem Abschluss meines TCM Diplomstudiums in Europa lebte ich drei Jahre in Chengdu, China, um mein klinisches Praktikum zu absolvieren. Dort entstand die Idee, vor Ort Reisen zu organisieren, bei denen wir den Arzneipflanzen und ihren Anbauern auf der Spur durch das Land fahren würden. Ich sehnte mich danach, die Pflanzen, die meine Lehrer täglich verschrieben, in der Natur lebendig zu sehen.
Chengdu liegt im Südwesten Chinas und ist umgeben von Bergen und Hügeln. Wann immer ich konnte, bestieg ich einen Bus und fuhr aufs Land. So lernte ich Leute kennen, die an steilen Berghängen Arzneipflanzen anbauten und sie mit Hilfe der ganzen Familie verarbeiteten. Leute, die über offenen Feuern Wurzeln trockneten und in riesigen Bambuskörben säuberten und sortierten. Leute, die in ihren Küchen und Gemüsegärten neben ihren lokalen oder eigenen Arzneipflanzenspezialitäten, Anbauversuche mit neuen Sorten und Methoden durchführten. Viele dieser Menschen hüten und pflegen eine unglaublich grosse Menge an überliefertem und stetig ergänztem Wissen über die Arzneipflanzen, ihre Arten und Sorten, ihren Anbau und ihre Verarbeitung.
Ich wünschte mir, die komplexen aber unstandardisierten, oft auch nicht schriftlich notierten Methoden der Arzneidrogenproduktion dieser Menschen, die oft altes Wissen und neue Technik kombinieren, besser kennen zu lernen. Ich wünschte mir, einen Austausch zu initiieren, zwischen Anbauern, Verarbeitern, Apotheken und uns Verschreibern über die Sprach- und Kulturgrenzen hinweg, um uns ganzheitlicheres Verständnis unserer Arzneien zu ermöglichen, was im Endeffekt auch unser Selbstverständnis als TCM Herbalisten stärkt.
Schliesslich ermöglichten mir zwei Professoren für Pharmakognostik der Südwest Chinesischen Medizinischen Universität durch ihre Einladung die Teilnahme an einer Arzneipflanzenexkursion im Hochgebirge mit ihnen und ihren Studenten. Dort auf den Bergwiesen dieser spektakulären Landschaft, ermutigt durch meine beiden Gastgeber und späteren Mentoren, reifte mein Entschluss, selbst Arzneipflanzenexkursionen durchzuführen. Diese Erfahrung nahm ich 1998 mit zurück in die Schweiz. Drei Jahre später begann die Planung zur ersten TCM Herbs Reise.
TCM war inzwischen in Europa immer populärer geworden und unser mangelhaftes Wissen über die Arzneien zeigte sich immer deutlicher. Wir waren verwirrt, dass botanisch verschiedene Pflanzenarten zu ein und derselben Arzneidroge verarbeitet wurden. Die einen galten als falsch, mehrere andere aber doch als richtig. Die von uns gelernten pharmazeutischen Namen stimmten oft nicht mit den botanischen Namen überein. Wir waren empört über Berichte von verunreinigte Arzneien, ärgerten uns aber über Importeure, die mangelhafte Ware zurückwiesen (weil diese uns dann fehlte).
Wir Therapeuten hatten den Anspruch „saubere“ Arzneien mit einer klaren Identität zu einem vernünftigen Preis zu bekommen für unser Geld. Und das schien so schwer zu bekommen. Unsere Apotheker waren genauso frustriert wie wir ob dieser Situation. Unsere Importeure wussten kaum etwas über die Herkunft, den Anbau und die Verarbeitung der Arzneien. Die meisten von ihnen verliessen sich gänzlich auf ihre Kontakte in Taiwan oder Hongkong. Diese kauften von Mittelsmännern in China ein, die angeblich „grundsätzlich“ mit gefälschten Zertifikaten hantierten. Das jedenfalls war die Information, die ich von unseren Importeuren erhielt.
Für die erste Reise konnte ich, neben einigen interessierten TCM KollegInnen, unsere lokalen Apotheker und Importeure zur Teilnahme motivieren. Im Sommer 2003 startete mit einer Gruppe enthusiastischer TeilnehmerInnen die erste TCM Herbs-Kräuterreise nach China.
Unterwegs: was wir auf den TCM Herbs Reisen erfahren
Wir fuhren auf katastrophal schlechten Strassen, viele davon gerade erst im Bau, und blieben mehrmals im Schlamm stecken. Auf über 3500 M.ü.Meer schliefen wir bei knapp über 0 Grad Celsius, und das im Juli, in tibetischen Zelten.
Dabei begannen wir mehr über die Bezeichnungen der Arzneipflanzen zu lernen. den Unterschied zwischen dem pharmazeutischen Namen (den wir in der Ausbildung lernen und der die fertige Arzneidroge bezeichnet) und dem botanischen Namen, der die Pflanzenart bezeichnet.
Wir lernten, dass noch immer über 80% der chinesischen Arzneipflanzen wild gesammelt werden(das ist auch 2014 noch so!) weil kaum jemand bereit ist, in langwierige und damit kostspielige Anbauversuche zu investieren, solange noch Pflanzen in der Wildnis vorhanden sind.
Dies betrifft natürlich vor allem Arzneien, mit denen sich am Markt kein hoher Preis erzielen lässt. Die eher teuren Arzneien und die mit einem sehr hohen Marktvolumen werden angebaut, das dann zum Teil schon seit Jahrhunderten.
Wegen der generell stark gestiegenen Nachfrage sind in den letzten Jahren viele Pflanzen in der Wildnis sehr rar geworden. Immer mehr Menschen sind deshalb bereit, mit Unterstützung von engagierten Pflanzenforschern, in ihren Gärten kleinflächige Anbauversuche durchzuführen. Das ist kein leichtes Unterfangen – manchmal vergehen viele Jahre, bevor eine Wildpflanze auch im Feldanbau wächst und gedeiht.
Manche Pflanzen haben ganz spezielle Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen. Huanglian/Coptis zum Beispiel braucht spezielle Blätter von Bäumen zur Düngung und muss immer beschattet werden. Die Wurzel selbst ist erst nach 4-5 Jahren gross und potent genug um geerntet zu werden. Darüber hinaus muss der Boden mindestens 10 Jahre, besser noch länger, Pause (von Coptis) haben, bis es dort wieder angebaut werden kann. Fuzi/Aconit und Chuanxiong/Ligusticum werden auch auf sehr spezielle Weise produziert. Sie keimen und wachsen im Hochgebirge, und sind zwar einjährig, werden aber jeweils im Spätsommer-Herbst alle ausgegraben und in die Tiefebene gebracht, wo ihre Wurzeln bis im nächsten Sommer auswachsen, damit sie gross genug werden.
Es gibt noch unzählige Geschichten über die besonderen und erstaunlichen Verfahren im chinesischen Arzneipflanzenanbau! Und über Pflanzen, die sich dem Anbau trotz riesiger Bemühungen bis jetzt entziehen.
Die meisten LeserInnen kennen vermutlich den sehr hohen Preis von Chuan Beimu/Frittillaria cirrhosa. die in den Hochebenen ab ca. 3000 M.ü.Meer wachsen und bis jetzt (fast) alle wild gesammelt werden. Seit über 50 Jahren versuchen Pflanzenforscher mit verschiedensten Methoden, sie im Anbau zum Wachstum zu bewegen. Viele solche Projekte werden nach 4-5 Jahren Misserfolg abgebrochen, wobei das in dieser Zeit angesammelte know-how der Mitarbeitenden oft auch verloren geht. Im Herbst 2014 habe ich das älteste Projekt (eben das 50-jährige!) besuchen können und im Anbau keimende Beimubulben gesehen: es sieht nach einem Durchbruch aus! Gerade rechtzeitig, denn in der Wildnis stehen sie kurz vor dem Verschwinden. Jedoch heisst das nicht, dass nun Chuan Beimu grossflächig überall kultiviert werden kann, wie das mit Zhe Beimu/Frittillaria thunbergii möglich ist. Alle Versuchsprojekte befinden sich auf über 3000 M.ü.Meer und bauen die Beimu extensiv, in sogenannten Halbwildverfahren an, bei dem möglichst wenig in den Wachstumsprozess eingegriffen wird. Dass bedeutet, der Preis wird bei Chuan Beimu vermutlich auch in Zukunft nicht tiefer werden können, im Gegenteil.
Wir lernten auch, was „Standardisierung“, die wir uns ja wünschten um stabile Qualität zu erhalten, in Bezug auf Arzneipflanzenanbau genau bedeutet.
Es gibt in allen Arzneipflanzenanbaugebieten eine grosse Zahl an lokalen Sorten einer Arzneipflanze. Oft werden auch Pflanzen verschiedener Arten zur Produktion einer Arznei verwendet. Um mehr Übersicht über die Identität der Herkunftspflanzen zu erhalten, werden über die örtlichen Landwirtschaftsberater nur für eine Pflanzenart Samen verteilt oder empfohlen. Zudem wird versucht, Anbauer, die selbst zu wenig Land und Ressourcen zur Verfügung haben, für die Teilnahme an einem grösseren lokalen GAP (good agriculture practice) Projekt zu gewinnen.
Die Anbauer dazu zu bringen, ihre gewohnten Arzneipflanzensorten zugunsten einer „Einheitssorte“ aufzugeben ist schwierig und nicht unproblematisch. Wie war das mit der Biodiversität? Aber- Verlangen wir denn nicht Einheitlichkeit bei den Arzneiherkunftspflanzen?
China ist immer noch eines der Länder mit der höchsten Biodiversität und viele junge und alte chinesische Wissenschaftler und Arzneipflanzenanbauer setzen sich dafür ein, so viel als möglich davon zu bewahren.
Ein Weg dazu ist, zwar einheitliche Sorten anzubauen, aber parallell dazu in allen Anbaugegenden „Genpoolbeete“ zu pflegen, wo jedes Jahr möglichst viele lokale Sorten vermehrt werden.
Ein weiteres Thema, was vor 11 Jahren, als ich mit meiner Pioniergruppe unterwegs war, noch nicht so im Vordergrund stand, heute jedoch sehr aktuell ist, ist der Einsatz moderner Agrochemikalien wie Dünger, Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmittel. Bis vor ca 4-5 Jahren war Handarbeit in China noch so billig, dass sich der Einsatz insbesondere von Unkrautvertilger nicht lohnte. Das ist heute umgekehrt. Die Löhne für ungelernte Arbeiter sind stark gestiegen, die Marktpreise für die meisten Arzneimittel tief, so dass es, selbst wenn man möchte, kaum mehr möglich ist Leute für Arbeiten wie Unkraut jäten zu finden.
Auch der Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln ist heute bei den an sich robusten Arzneipflanzen viel mehr verbreitet, der Grund dafür ist hauptsächlich der massiv erhöhte Ertragsdruck: es gibt mehr Anbau von Arzneipflanzen an suboptimalen Standorten, zu intensiv angebaut, mit weniger Fruchtwechsel. Dazu kommt fehlendes Wissen, bzw. mangelhafte Information der Anbauer durch Agrochemievertreter.
Gleichzeitig gibt es viele unermüdlich engagierte landwirtschaftliche Berater im Bereich des Arzneipflanzenanbaus, die die Anbauer in allen Bereichen unterstützen. Nur sind viele eben in chinesischen Dimensionen oft doch nicht genug. Bei zum Teil extrem tiefen Marktpreisen für Arzneipflanzen ist es für kleinere Anbauer sehr schwierig etwas anderes als die Wirtschaftlichkeit zur Priorität zu machen.
Inzwischen ist aber schon in weiten Kreisen in China ein Umdenken in Bezug auf den sorglosen Umgang mit der Natur im Gange. Ausgelöst durch massive Qualitätsprobleme im Bereich der Lebensmittel erleben Initiativen zur Förderung von naturnahem, biologischem Anbau momentan grossen Aufschwung, stehen aber nichtsdestotrotz noch ganz am Anfang.
Ein weiterer wichtiger Lernbereich war seit der ersten Reise immer wieder die Frage der Identifizierung von Arzneiherkunftspflanzen, die schon zu so viel Verwirrung geführt hat. Weniger schwierig ist die Unterscheidung von verschieden zubereiteten Arzneien, wie zum Beispiel geröstetes Atractylodes macro/Chao Baizhu, im Vergleich zu ungeröstetem/ sheng Baizhu (oder einfach nur Baizhu). Auch die Herkunftsbezeichnungen in den chinesischen Namen zu erlernen ist nicht kompliziert und gibt uns Hinweise auf wichtige Arzneiproduzierende Gegenden, zum Beispiel Chuan Xuduan/Dipsacus, Chuanxiong/Ligusticum chuanxiong, Chuan Niuxi/Achyranthes aus Si-chuan, Huai Shanyao, Huai Niuxi, Huai Juhua aus Henan (Huai-Gegend) oder Hang Juhua dagegen dann aus Hang-zhou.
Hierfür müssen nur einige chinesische Vokabeln erlernt werden, das schadet in unserem Beruf sowieso nie. Viel kniffliger ist allerdings der Umstand, dass so viele unserer Arzneien aus mehreren Arzneipflanzen hergestellt werden können, fast immer aus mehreren Sorten einer Art, sehr oft aus mehreren Arten einer Gattung und ab und zu sogar aus Pflanzen unterschiedlicher Gattungen. Das hat viele Gründe und die Auswahl selbst ist nicht in Stein gemeisselt. Auch welche Teile einer Pflanze als Arznei genutzt werden verändert sich im Laufe der Zeit und mit neuen Erkenntnissen. Grundsätzlich ist das chinesische Arzneibuch, welches alle 5 Jahre erscheint und auch auf Englisch erhältlich ist, massgebend dafür, welche Arten als Herkunftspflanzen für eine bestimmte Arznei erlaubt sind und spiegelt, mit jeweils einiger Verzögerung, die aktuellen Erkenntnisse wider.
Zum Beispiel wurden vom Asarum/Xixin in China bis in die Mingzeit nur die Wurzeln als Arznei betrachtet und zwar auch nur die ausserhalb der Blütezeit geernteten Wurzeln (Bencao Pinhui Jingyao veröffentlicht im Jahr 1505, siehe auch die Forschung von Zhuan Wu-Zhang, Brion Institute, Sunten, Taiwan). Später wurde, auch aus wirtschaftlichen Gründen, denn die Wurzeln sind sehr dünn, klein und leicht, das ganze Kraut verwendet, bis man darauf aufmerksam wurde, dass sich im Kraut, vor allem im blühenden Kraut die toxische Aristolochiasäure anreicherte. Daraufhin erlaubte das chinesische Arzneibuch vor einigen Jahren wiederum nur die Verwendung der Wurzel, wie das erstaunlicherweise schon früher, in der Mingzeit, empfohlen worden war, damals noch ohne Kenntnisse der Inhaltsstoffe. Allerdings wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis diese Vorgabe auf dem chinesischen Arzneipflanzenmarkt befolgt wird. Aus diesem und anderen Gründen ist Xixin bei uns nun nicht mehr zugelassen.
Berühmtestes Beispiel ist wohl die Guan Mutong/Aristolochia manshurensis, die vorübergehend als eine mögliche Form von Mutong/C. Akebia zugelassen war. Nachdem die Toxizität aufgrund der enthaltenen Aristolochiasäure eindeutig nachgewiesen werden konnte, wurde sie aus dem chinesischen Arzneibuch gestrichen und verboten. Der Grund sie überhaupt aufzunehmen war auch hier wieder ökonomischer Natur: sie wächst schneller und wird grösser als die anderen Herkunftspflanzen von Mutong, die Clematis armandii und Akebia quinata.
Ein anderes Beispiel ist Chaihu/Bupleurum: es wird nach wie vor überwiegend wild gesammelt. Da es aber viele Jahre braucht bis einigermassen substanzielle Wurzeln wachsen, wird heute an vielen Orten das ganze Kraut verwendet. Auch hier stehen ökonomische Aspekte hinter der Veränderung. Beim Kurkuma ist es wiederum so, dass das, was wir heute als Jianghuang/Rx Curcuma bezeichnen, in den Arzneibüchern der Mingzeit und früher, also vor 400 Jahren, als Yujin bezeichnet wurde. Heute bezeichnen wir einen anderen Teil dieser Pflanze, der Curcuma longa, als Yujin, nämlich den Tuber. Alles klar?
Nicht nur die verwendeten Pflanzenteile, auch die verwendeten Arten ändern, wie erwähnt. Gründe sind hier, neben der genannten Situation, dass eine Toxizität entdeckt wird, zum Beispiel auch, wenn eine Art vom Aussterben bedroht ist, sich aber partout nicht anbauen lassen will und deshalb auf eine nah verwandte Art ausgewichen wird, wie dies zum Beispiel bei Shihu/Dendrobium nobilis der Fall war.
Wobei inzwischen, durch die Fortschritte in der Orchideenzucht mittels in vitro Vermehrung auch die ursprüngliche Art in Zucht gedeihen kann. Oder wenn im Norden und im Süden von China klimabedingt traditionell unterschiedliche Arten der gleichen Gattung kultiviert werden wie bei Nan und Bei Wuweizi/Shisandra sphenanthera (unter Anderem) und S. chinensis. Auch Jinyinhua/Flos Lonicera wird aus mehreren Lonicera Arten hergestellt wobei hier die Veränderung im neuesten chinesischen Arzneibuch nicht die Streichung einer Art war, sondern das Auftrennen in zwei Einträge, so dass jetzt Jin Yinhua und Shan Yinhua getrennt aufgeführt werden. So viel zu Schwierigkeiten bei der Identitätsbestimmung.
Hinter den pflanzlichen Arzneimitteln steckt in China eine komplexe, lebendige Wissenschaft und ein Marktanteil von über 30% des gesamten Arzneimittelmarktes mit allem was dazugehört! Bei uns macht der Anteil an pflanzlichen Arzneimitteln weniger als 4%des Arzneimittelmarktes aus.
Nun ist es ja nicht nötig, dass wir alle Pflanzenexperten werden. Aber ein Grundverständnis der Situation zu haben, ist hilfreich um die Qualität einer Arznei besser beurteilen zu können. Nur schon in dem wir dann genauere und sinnvollere Fragen und Ansprüche stellen können bei unseren Apothekern und Importeuren und damit von Konsumentenseite her besser das Interesse an qualitativ guten und nachhaltig produzierten Arzneien nachfragen können. Aber auch, um zu begreifen, wieviel Aufwand hinter der Arzneipflanzenproduktion steht.
Neben all dem Lernen über die Hintergründe und Herkunft der Arzneipflanzen die dann zu „unseren“ Arzneien werden, sind die Reisen aber auch im Grossen und Ganzen wie ein Sprung nicht in den Schmelztiegel sondern in den Kochtopf der Kulturen Chinas. Die Vielfalt dieser Kulturen, ihrer Geschichten, ihrer Erfahrungen, und eben auch ihrer verschiedenen Geschmäcker, erleben wir hautnah in den Gegenden, die wir durchstreifen. Da wir nicht auf den schon sehr festgetretenen Pfaden der grossen touristischen Routen unterwegs sind, können wir uns flexibel an die Bedingungen des Wetters, der Pflanzen und der Bedürfnisse unserer Gruppe anpassen. Wir folgen den Arzneipflanzen und den lokalen Experten, die sie uns zeigen und erklären können. Und begegnen dabei Menschen, die ihr ganzes Leben den Heilpflanzen widmen, bevor sie in der Praxis verschrieben werden können, sei es im Anbau, in der Erforschung, in der Verarbeitung, im Handel oder in der Qualitätskontrolle.
In den letzten zwölf Jahren konnte ich sieben solche Reisen durchführen. Die ersten vier davon fanden in den Bergen, Tälern und Hochebenen Sichuans statt, mit ihrer unglaublich reichen Flora, seitdem strecke ich die Fühler aus habe begonnen weitere Gegenden kennenzulernen. Daraus sind Reisen in den Süden von Guangxi, und den den Norden von Yunnan entstanden. Aus Begegnungen der letzten Jahre sind inzwischen Beziehungen und Pläne für Kräuter-Reisen, in so weit voneinander und auch von Sichuan entfernte Gegenden wie die südlichen Berge Fujian’s, das tropische Xishuangbanna, die Wälder von Hubei und die Steppen der inneren Mongolei geworden.